Schulhofqualität


„Der junge Mensch braucht seinesgleichen – nämlich Tiere, überhaupt Elementares, Wasser, Dreck, Gebüsche, Spielraum. Man kann ihn auch ohne das alles aufwachsen lassen, mit Teppichen, Stofftieren oder auf asphaltierten Straßen und Höfen. Er überlebt es, doch man soll sich dann nicht wundern, wenn er später bestimmte soziale Grundleistungen nie mehr erlernt.“
(Alexander Mitscherlich, 1908-1982)

Eine gute Schulhofgestaltung zeichnet sich durch eine intensive Beteiligung der Schulgemeinschaft, Kreativität, Vielfalt und Nachhaltigkeit aus. Die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler nach Bewegung, Rückzug, Erholung, Kommunikation und Geborgenheit stehen dabei immer Vordergrund.

Die Landschaftsarchitektur passt sich diesen Bedürfnissen an (die Form folgt der Funktion)!

„Lebensraum Schulhof
Ansicht „Lebensraum Schulhof", „Grün macht Schule“ | © 2019"

Das Kartenset „Lebensraum Schulhof" gibt viele Anregungen, Tipps, Beispiele und Argumente für gute Schulhöfe.

Die komplette Ausgabe von „Lebensraum Schulhof" können Sie hier zur Ansicht als PDF-Datei >> downloaden.

Das Kartenset „Lebensraum Schulhof" ist im DIN A 5 Format gedruckt und gegen eine Schutzgebühr in Höhe von 10,00 € erhältlich. Bestellungen telefonisch unter +49 (0)30 90227 6704 oder per Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Informationen für Fachplaner*innen von Schulhöfen:

Im Rahmen der Berliner Schulbauoffensive werden in den nächsten Jahren viele neue Schulen gebaut, erweitert oder saniert. Der Berliner Landesbeirat Schulbau veranstaltete in Zusammenarbeit mit dem Bund Deutscher Landschaftsarchitekten bdla, Landesgruppe Berlin/Brandenburg e. V. und „Grün macht Schule“ einen Fachtag zum Thema Schulhofqualität. Die Dokumentation und Vorträge des Werkstattgesprächs „Außenräume und Freiflächen an Berliner Schulen“ werden vom Landesbeirat Schulbau online hier zur Verfügung gestellt:

Download >> Dokumentation Werkstattgespräch Außenräume und Freiflächen an Schulen (Der Landesbeirat Schulbau)
Download >> hier stellt der Landesbeirat Schulbau weitere Dokumente (u.a. Vorträge der Werkstattgespräche) online zur Verfügung


Spielräume

Spielgerät aus Naturmaterialien mit vielfältigem Bewegungsangebot
Spielgerät aus Naturmaterialien mit vielfältigem Bewegungsangebot

Schulhofflächen benötigen Vielfalt und eine differenzierte Raumgliederung, die sich an den unterschiedlichen Nutzungen in den einzelnen Bereichen orientiert. Große, zusammenhängende, übersichtliche Flächen beeinträchtigen die Qualität von Spiel und Aufenthalt. Sie können in Einzelfällen sogar Unfallrisiken bergen, z.B. wenn eine Schaukel ungeschützt in einem großen Sandkasten steht, wo auch gebuddelt wird. Die Gefahr, dass Schülerinnen und Schüler in die sich bewegende Schaukel rennen, ist hier sehr groß.

Spiele mit großer Bewegungsintensität können ohne Gliederung des Hof-Raums ruhigere Aktivitäten stören. Raumgliederung schafft Spannungsmomente, wenn man von einem Raum in den anderen kommt, ohne ihn vorher einsehen zu können.

Erkenntnis:
Je kleinräumiger und vielfältiger ein Außengelände gestaltet ist, desto besser wird es den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler nach Bewegung, Erholung und Lernen gerecht.

Hügel, Mulden, Hecken und Büsche gliedern das Gelände in diverse Räume, die Schülerinnen und Schüler in unterschiedlichster Form nutzen. Hier kann man sich verstecken, in Ruhe spielen, forschen, sich treffen oder, ungesehen von Erwachsenen,  Abenteuer erleben. In solchen unübersichtlichen Spielräumen übernehmen die Kinder unweigerlich Verantwortung für sich und andere.

Wenn Schülerinnen und Schüler frei spielen dürfen, erfährt man sehr schnell sehr viel über ihre Bedürfnisse.

Schulhoffreiflächen, die räumlich kleinteilig gegliedert sind, bergen nicht mehr Gefahrenpotential als ungegliederte Räume - das Gegenteil ist der Fall!

Interview zum Thema „Gestaltung nachhaltiger Spielräume“

Im Rahmen ihrer Masterarbeit im Studiengang „Landschaftsarchitektur“ hat Frau Donka Krasimirova Dimitrova ein Interview mit Manfred Dietzen („Grün macht Schule“) zum Thema „Gestaltung nachhaltiger Spielräume“ geführt. Das Interview können Sie hier lesen:
>> Download Interview „Gestaltung nachhaltiger Spielräume“, von Donka Dimitrova 27. Februar 2020


Spielelemente

Mit der Natur spielen heißt mit allen Sinnen erleben. Ein naturnahes Schulgelände hat natürliche Spielelemente wie Äste, Steine, Findlinge, Erde, Wasser, Sand und Matsch und auch solche, die in das Gelände integriert werden:

Eine Rutsche vom Weidenhügel, eine Schaukel in der Ecke, eine Wippe, die Reckstange auf der Holzhäckselfläche, das Trampolin auf der Wiese oder ein Wasserspiel im Sand mit Pumpe verstärken die Erlebnis- und Erfahrungsintensität der Sinne in der natürlichen Umwelt.

 

Rückzugsbereich, Sonnen- und Regenschutz
Rückzugsbereich, Sonnen- und Regenschutz

Rückzugsbereiche

Viele Erwachsene glauben, Schülerinnen und Schüler benötigen nur ausreichend Bewegungsangebote. Dabei sind die Bereiche wichtig, wo sie sich zurückziehen können, allein oder mit nur wenigen Freunden. Abseits von den anderen können sie dann ihren Gedanken nachgehen oder einfach nur ruhig kommunizieren oder spielen.

Auch mal von Erwachsenen unbeobachtet zu sein, ist für die Schülerinnen und Schüler äußerst wichtig!

Schülerinnen und Schüler wissen, wann sie unbeobachtet sind. Rückzugsorte sind Holzhütten, Tipis aus Weiden oder Kletterpflanzen, Spielgebüsche und dergleichen. Diese von vornherein anzubieten, ist das Beste!


Bepflanzung

Pflanzen erfüllen im Außengelände ganz wesentliche Funktionen. Sie sorgen für

  • Lärm- und Sichtschutz
  • Staubfilter
  • Erhaltung der Luftfeuchtigkeit
  • Schutz vor Sonneneinstrahlung und Hitze
  • Verzögerte Versickerung von Niederschlägen
  • Raumbildung
  • Naturerlebnisse
  • Sinneserfahrungen
  • Artenvielfalt
  • Nahrung
  • Förderung des Wohlbefindens
  • Erleben der Jahreszeiten

In intensiv bespielten Bereichen müssen die Pflanzen natürlich robust sein. Außerdem müssen Kinder Pflanzen auch „benutzen“ dürfen. Je nach Standortbedingungen eignen sich Sträucher wie alle Hartriegelarten, trockenverträgliche Kriechweidenarten, Falscher Jasmin, Haselnuss, Weigele, Zierjohannisbeeren, Weißdorn.

Um Düfte, Farben, Strukturen und die Jahreszeiten zu erleben, sind geeignet: Falscher Jasmin, Felsenbirne, Kornelkirsche, Ahornarten, Zierquitten, Wildrosen, Eberesche und Wildkirschen. Nicht zu vergessen ist das Pflanzen von Frühblühern, die den Schutz der Gehölze benötigen.

Weidenhütten und -gänge sind in der Grundschule sehr beliebt. Doch nicht an jedem Standort können Weiden wachsen. Hütten können deshalb auch aus Haselnuss oder trockenen Weidenästen gebaut werden, die dann mit ein- oder mehrjährigen Kletterpflanzen bestückt werden.

Schülerinnen und Schüler benötigen auch Wildnis, und wenn es nur ganz kleine Bereiche sind. Hier verbergen sich viele spannende Erlebnisse. Unter Laub und totem Holz lebt eine Vielzahl von Organismen, „kleine Ungeheuer", Urzeittiere und dergleichen. Natürlich gibt es mit Pflanzen auch unangenehme Begegnungen, z.B. Brennnesseln, stachelige und raue Gewächse. Diese Erfahrung müssen Schülerinnen und Schüler ebenso machen, um später eine Gefährdung besser einschätzen zu können.

Und keine Angst vor giftigen Pflanzen. Pflanzen mit hohen toxischen Wirkungen kommen nur selten vor. Die meisten dieser Früchte schmecken bitter, und die Schülerinnen und Schüler spucken sie wieder aus. Nachweisbare Vergiftungen durch Pflanzen sind, im Gegensatz zu anderen Vergiftungsursachen, äußerst selten.


Mit allen Sinnen erleben

In unserer Lebenswelt werden meist nur wenige Sinne angesprochen. In der Regel werden nur das Sehen und das Hören beansprucht, oft überbeansprucht. Geschmack, Geruch und Tasten sind für das Erfahrungsspektrum des Menschen indes ebenso wichtig.

In einem naturnah gestalteten Gelände sprechen Pflanzen, Steine, Baumstämme und unterschiedliche Bodenbeläge alle Sinne an. Auch unangenehme Erfahrungen müssen in das sinnliche Erleben einbezogen werden. Wer nur einmal eine Brennnessel angefasst oder die Stacheln einer Heckenrose gespürt hat, der wird sich das nächste Mal vorsehen.

Das Betasten und Begehen von unterschiedlichen Materialien fördert und schult den Tastsinn. Es wird sinnlich erlebt, wie sich etwas anfühlt. So schult beispielsweise das Balancieren über raue Materialien das Fußgefühl.

Zum sinnlichen Erleben gehören unbedingt auch das Matschen, das Spritzen, das Spielen im Schnee und die Hitze des Feuers.


Natur entdecken und erforschen

Möglichst früh sollten Schülerinnen und Schüler in der Grundschule ein Umwelt- und Naturbewusstsein entwickeln. Aber nicht nur die Kenntnis von Tieren und Pflanzen sind dafür entscheidend, sondern auch der direkte Kontakt zu den Naturelementen. Eigenes Entdecken und Erforschen sind für einen stetig wachsenden umweltbewussten Umgang mit natürlichen Ressourcen unabdingbar.

Lernen, woher unsere Nahrung kommt, gehört ebenso dazu wie Obst und Gemüse wachsen zu sehen und selbst zu einer erfolgreichen Ernte durch regelmäßiges Gießen beizutragen. Beete im Schulgarten benötigen gut besonnte Standorte. Ein Wasseranschluss sowie Geräteschuppen sind eine sinnvolle Ergänzung. An einer Grundschule muss es nicht unbedingt ein großer Garten sein - schon in Töpfen oder Kübeln können Pflanzen gedeihen. Sehr platzsparend wachsen zum Beispiel Tomaten, Kartoffeln und Bohnen.

Die Tierwelt ist elementarer Bestandteil wenn es darum geht, die Natur zu entdecken und zu erforschen: Was krabbelt im Boden, wer lebt auf einem Baum, woher kommt der Honig? Vogelnistkästen und Insektenhotels helfen Tiere anzulocken. Kompost zeigt den Schülerinnen und Schüler, dass die Natur keinen Abfall kennt.

Teiche dagegen sind für Schulen meist ungeeignet. Sie sind pflegeaufwändig, benötigen viel Fläche und müssen eingezäunt werden. Wer aber auf die Tierwelt im und unter Wasser nicht verzichten will, kann auch in einer kleinen, gesicherten Tonne mit Regenwasser erstaunliche Erlebnisse haben.

Ein naturnaher Schulhof ist das wahre Paradies für kleine Entdecker und Abenteurer in der Grundschule. Hier können Kinder selbst forschen oder unter Anleitung Erwachsener gezielt natürliche Prozesse erleben.

Ein Schulgelände ist kein Naturschutzgebiet: Hier lernen Kinder den Respekt vor Tieren und Pflanzen und den umsichtigen Umgang mit beidem.


Kreatives Gestalten

Kunst und Kreativität nehmen im Berliner Bildungsprogramm einen eigenen Bereich ein. Leider wird der Schulhof diesbezüglich viel zu selten einbezogen, obwohl in den Innenräumen oft kein Platz ist für die kreativen Produkte der Schülerinnen und Schüler.

Der Schulhof ist geradezu ein idealer Erweiterungsraum für kreatives Gestalten und muss immer Möglichkeiten zur Veränderung zulassen. Bereiche mit lose umherliegenden verschiedenartigen Materialien ermöglichen, dass die Schülerinnen und Schüler sich Spielangebote selbst schaffen. Zum Spielen mit Sand gehört auch Wasser, sonst kann man nicht „Burgen bauen“. Eine Lehmbauecke bietet noch bessere Möglichkeiten.

Auch Sandkastenabgrenzungen und Sitzgelegenheiten können von und mit Lehrerinnen und Lehrern, Eltern und Schülerinnen und Schülern kreativ gestaltet werden. Einfach sind zum Beispiel Wind- und Klangspiele, die man an einen Baum hängt. Selbst gebastelte Figuren und Bilder zieren Wände und Zäune. Dabei ist auch ein saisonales Projekt, das wieder abgebaut wird, effektvoll.

Die kreativen Projekte einer Schulgemeinschaft geben dem Freigelände obendrein ein individuelles Aussehen. Das wiederum kann die Außenwirkung der Schule positiv beeinflussen.


Sicherheit

Auf dem Schulhof sollen sich Schülerinnen und Schüler ungestört und frei bewegen können. Hier können sie wie einst beim „draußen spielen“ lernen, mit Gefahren zu leben und verantwortungsbewusst zu handeln, weil sie diese erahnen oder erkennen. Daher ist es stets wichtig auf versteckte Gefahren zu achten, diese zu vermeiden und unter dem Aspekt „Risiko muss sein“ mit gesundem Menschenverstand Unfällen vorzubeugen.

DIN-Normen und TÜV-Zertifikate setzen Rahmenbedingungen für Konstruktionen und die Gestaltung von Spielelementen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein Schulhof nur mit Geräten und Einrichtungen aus Katalogen der Spielgerätehersteller sicher ist. Rutschen, Schaukeln oder Wippen sollten zur Schulhofausstattung gehören, doch eine alleinige Ausstattung mit Spielgeräten fördert die kindliche Entwicklung nicht ausreichend.

Die Umwelt der Schülerinnen und Schüler darf nicht frei von Risiken sein. Das richtige Fallen lernen sie nur, wenn sie auch das Hinfallen lernen. Das sichere Balancieren, Laufen, Klettern entwickelt sich nur, wenn sie Hürden bewältigen und überwinden müssen. Ebenso verhält es sich beim Umgang mit Pflanzen und Tieren, Feuer und Wasser.

In einer Schule, die ihre Freiflächen in diesem pädagogischen Bewusstsein gestaltet hat, stellt eine Brennnessel oder eine Distel keine Gefahr dar, sondern eine wertvolle Hilfe bei der Bildungsarbeit.

  • Fallen lernt man nur durch Fallen
  • Beschauen und nicht kauen
  • Fördern durch Fordern
  • Spielen ohne Risiko ist ein Risiko

Auch bei einer naturnahen Gestaltung des Schulhofes ist die Schulaufsicht verpflichtet, einen bestimmten Sicherheitsstandard zu gewährleisten und regelmäßig zu kontrollieren.

Schon bei der Planung des Außengeländes können Expertinnen und Experten, zum Beispiel des Unfallversicherungsträgers, angesprochen werden, um sich Tipps für die Gestaltung zu holen.


Pflege

Naturnahe Freiflächengestaltung erfordert auch eine naturnahe Pflege!

Schulhofaktionen im Frühling und Herbst, gemeinsam mit Eltern und weiteren Freiwilligen, reichen in der Regel aus, um das Schulhofgelände instand zu halten.

Naturnahe Freiflächen können von Laien gut gepflegt werden. Hier dürfen auch mal Fehler passieren, wie zum Beispiel ein nicht fachgerechter Rückschnitt oder das Entfernen von wertvollem biologischem Material.

Bei einer grundlegenden Pflege- und Unterhaltungsmaßnahme, wie der Baumpflege und einer technischen Pflegemaßnahme, empfiehlt sich die Unterstützung des Bezirksamtes.

„Grün macht Schule“ gibt auch Tipps zum nachhaltigen Gärtnern, beispielsweise, dass das Laub im Garten bleibt.

Für die Sommerferien können Vereinbarungen mit Eltern, Nachbarn oder Vereinen getroffen werden. Auch eine Zusammenarbeit mit generationsübergreifenden Projekten hat sich als vorteilhaft erwiesen.

 

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